Bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts lag auch in der Gerberei ein Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit der Stadt. Es bestanden früher hier etwa 25 Gerbereien. Die Lohgerberei von Daniel Beck, welche in den 1820er Jahren errichtet worden war, wuchs zu einer Fabrik, welche einen ebenso bedeutenden wirtschaftlichen Faktor für Döbeln bildete, wie jetzt die Rob. Tümmlersche Metallwarenfabrik und die Franz Richtersche Maschinenfabrik. Die Daniel Becksche Lederfabrik beschäftigte in ihrer Blütezeit 300350 Arbeiter, 1870 war sie die drittgrößte Lederfabrik Deutschlands, Sie umfaßte große Lohgerberei, Weißgerberei, Lohmühle und Leimfabrik, zum maschinellen Betriebe waren drei Dampfmaschinen im Gange. Die zu der Fabrik gehörigen 52 Gebäude und die unbebauten Grundstücke nahmen das ganze Stadtviertel an der Berglehne rechts der Mulde zwischen der "Sorge" und dem Staupitzsteg ein. Nach dem Kriege 1870/71 traten die Söhne Daniel Becks aus dem Unternehmen aus. Die Fabrik wurde 1871 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und erhielt den Namen "Sächsische Lederindustriegesellschaft, vormals Daniel Beck". Zwei Direktoren, ein kaufmännischer und ein technischer, standen dem Unternehmen vor, zuerst leitete Daniel Beck selbst als technischer Direktor den Betrieb. Durch ungünstige Konjunkturen in der Lederbranche litt das große Unternehmen in den 1880er Jahren; der Betrieb mußte eingeschränkt werden und war schließlich nicht mehr lohnend, da die Fabrik auf den Großbetrieb zugeschnitten war. Unter dem Direktor Levy wurde 1892 nochmals versucht, durch Einführung neuer Fabrikation die weiten Räume der Fabrik zu beleben. Es wurde als Spezialität die Anfertigung schwarzer und brauner genarbter und satinierter Kalbfelle sowie von Kidleder betrieben, und die Zahl der Arbeiter stieg nochmals auf 150. Zur Döbelner Industrie- und Gewerbeausstellung 1893 war die Lederbranche sehr ansehnlich vertreten. Der Betrieb ließ sich aber doch nicht erhalten, er wurde 1894 eingestellt. Die mit der Beckschen Lederfabrik verbundene Leimfabrik stellte jährlich 2.000 Zentner Leim aus den Hautabfällen her. Sie mußte mit den anderen Fabrikzweigen geschlossen werden. In dem Gebäude, das große Trockenböden hat, befindet sich jetzt die Dampfwaschanstalt von Wilsdorf & Maaß. Die drei Schornsteine der Beckschen Fabrik sind abgetragen der größte diente 1897 zur Sprengübung der Pioniere, die umfangreichen Gebäude hat man zu Wohnhäusern eingerichtet, und nur die Daniel Becksche Grabstätte an der "Sorge", die Bezeichnungen "Becksche Häuser", "Becksche Aue", "Becksche Arbeiterhäuser" (an der Terrassenstraße) erinnern noch an diese einst so blühende Lederindustrie. Einen bedeutenden Umfang erreichte auch die Ledermanufaktur und Lacklederfabrik, welche Guido Beck, ein Sohn von Daniel Beck, hier am linken Arm der Mulde gegenüber dem Schloßberg im Jahre 1870 gegründet hatte. Diese Fabrik mit Dampfbetrieb verarbeitete hauptsächlich Bullenhäute, welche mit Spaltmaschinen in eine Narbenseite und eine Fleischseite geteilt wurden. Nach der Gerbung wurden die Häute genarbt oder glatt lackiert. Das fertige Lackleder wurde nach allen Teilen der Welt versandt und zu feinen Schuhwaren, Wagenbau und Sattlerarbeiten verwendet. Leider wurden die Zeiten auch für diese Fabrik ungünstig, der Betrieb erfuhr um die Jahrhundertwende mehr und mehr Einschränkung und der größte Teil der Gebäude und Grundstücke wurde anderen Zwecken dienstbar gemacht. Der Sohn Guido Becks, Arndt Beck, betreibt die Fabrikation noch und hat sich der Herstellung von Boxcalf usw. zugewendet. Lackleder für feine Schuh und Sattlerwaren wurde ehemals auch in der Lederfabrik von E.Burckhardt an der Sörmitzer Straße hergestellt. Hier wurden meist Kalbfelle verarbeitet. Seit reichlich zehn Jahren besteht diese Fabrik nicht mehr, in die Räume ist die Metallindustrie eingezogen. Gegenwärtig findet man hier noch die Lederfabriken von Guido Beck und Richard Hempel, Staupitzstraße (Weißgerberei), sowie die Gerberei von Gustav Schwarze in der Staupitzstraße, in der hauptsächlich Felle hergestellt werden.
H. Zscherpel erschienen in der Festschrift zum Heimatfest Döbeln vom 20. - 2. Juni 1914
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