Wenn ein Festlandsgebiet ringsum von Wasser umgeben ist, wird dies eine Insel genannt. Nach dieser Definition dürfen sich die Einwohner auf 17 ha Stadtfläche Döbelns als Insulaner bezeichnen: Diese flüssige Grenze bildet jedoch kein Meer, sondern es sind zwei Flußarme der Freiberger Mulde, die den Stadtkern umfassen. Die Freiberger Mulde teilt sich am Schloßbergfelsen in einen nördlichen und einen südlichen Flußlauf, um sich nordöstlich des Steigerhausplatzes wieder zu vereinen. Zu dieser Stadtinsel führen seit eh und je Brücken und Stege, in deren Historie wir heute kramen wollen.
Historisches
In früheren Zeiten bog die Freiberger Mulde, nachdem sie aus südöstlicher Richtung das Stadtgebiet erreicht hatte, am Schloßberg in westliche Richtung ab, begrenzte das südliche Stadtgebiet und verlief dann weiter in nordwestlicher Richtung. Den nördlichen Muldenarm gab es anfangs nicht. Östlich der heutigen Oberbrücke floß der aus dem Amselgrund kommende Töpferbach in das östliche Stadtgebiet und verlief von dort weiter in Richtung Staupitzmühle, wo er zu einem Teich angestaut wurde, um ein Wasserreservoir für den Betrieb des Mühlrades zu haben. Danach mündete er in Höhe des heutigen Stadtbades in die Mulde. Die Stadtfläche von Döbeln, die früher von den Stadtmauern geschützt wurde, war wesentlich kleiner als die heutige Muldeninsel. Im südlichen Bereich verlief der Muldenarm 80 Meter von der Stadtmauer entfernt! Als die Gefahr eines Hussitenüberfalls auf die Stadt zunahm, wurde auf Geheiß des Vogtes im Jahre 1420 durch Bürger und Landvolk ein Stadtgraben zwischen südlichem Muldenarm und Stadtmauer vom Schloßberg bis in die Nähe der Einmündung des Töpferbaches in die Mulde ausgehoben. Ein zweiter Graben begann ebenfalls am Schloßberg und zog sich an der Oberbrücke vorbei bis in den Töpferbach. Ein Wehr am Schloßberg hob den Wasserstand, wodurch genügend Wasser nach Norden abgeleitet werden konnte. Die gefluteten Gräben hielten zwar einen Überfall der Hussiten im Jahr 1429 nicht auf, aber durch die Grabungen war die Muldeninsel entstanden. Der südliche Stadtgraben, teilweise überdeckt geführt, versorgte noch bis 1961 die Niedermühle mit Wasser. Alte Namen für Bereiche nahe der Theaterstraße wie "Am Stadtgraben" oder die "Teichwiesen" zwischen nördlichem Muldenarm und Ritterstraße - dort gibt es auch noch Reste der Stadtmauer - erinnern an jene Zeiten der Stadtgräben. Nachdem nun die Wasserläufe der Mulde geklärt sind, wollen wir die Bauwerke kennenlernen, über welche man trockenen Fußes auf die Muldeninsel gelangt: Im Mittelalter besaß Döbeln zwei Brücken und einen Fußgängersteg über die Mulde. Von Osten führte der Weg über die Oberbrücke und durch das Obertor in die Stadt. Der Töpferbach konnte durch eine Furt in Höhe des Wappenhenschstift durchfahren werden. Nach Süden gelangte man durch das Niedertor und über die Niederbrücke. Östlich von dieser befand sich die Niederfurt. Diese nutzten die Fuhrwerke vom Niederwerder zum Hirtenberg. Der Fußgängersteg an der Staupitzmühle ermöglichte eine Überquerung nach Norden.
Oberbrücke
Die Oberbrücke war zuerst eine Holzbrücke über das Sumpfgelände des Töpferbaches. Im Jahre 1537 wurde eine Steinbrücke mit drei schmalen Durchlaßbögen errichtet. Diese Bauweise wirkte bei dem verheerenden Hochwasser 1897 als Sperre für das Treibgut, wodurch das angestaute Wasser große Teile der Stadt überfluten konnte. 1913 wurde die Brücke abgerissen. Nach fünf Monaten Bauzeit war die neue zweibögige Brücke mit einem Mittelpfeiler fertig. Diese Brücke gefiel durch ihre schmucken Natursteinverblendungen. Sie erhielt damals sechs Kandelaber als Brückenbeleuchtung. Der ständig wachsende Verkehr erforderte vor wenigen Jahren eine grundhafte Sanierung. 1995 begannen Erneuerungen der Ufermauern unterhalb der Brücke auf der Seite der Apotheke an der Oberbrücke. 1996 wurde die Brücke bis auf die unbewehrten Natursteinbögen abgetragen. Eine neue Betonschale entstand wieder darüber. Alle unter Denkmalschutz stehenden Bauelemente bekamen wieder ihren Platz im Bauwerk. Gleichzeitig entstand ein Verkehrskreisel im Bereich des Wappenhenschstiftes. Im September 1997 konnte der Verkehr wieder über die neu entstandene Oberbrücke rollen.
Staupitzsteg
Der Staupitzsteg bestand als hölzerner Steg mit Überdachung bereits im Mittelalter. Erst 1965 wurde dieser mehrfach reparierte Steg durch einen eisernen Steg ohne Mittelpfeiler ersetzt. Schon wenige Jahre später sperrte man den Steg wegen Baufälligkeit. 1983 wieder aufgebaut, waren auch in jüngster Zeit wiederum Erhaltungsarbeiten notwendig. Früher gab es nach diesem Steg noch einen weiteren mit gewölbter Gehfläche, der vom Salzgraben zur Staupitzstraße im Bereich der Beckschen Lederindustrie die Mulde überspannte. Beim Hochwasser 1897 wurde der Steg weggespült und nicht wieder neu errichtet.
Muldensteg zur Staupitzstraße
Der Fußgängersteg von der Rudolf-Breitscheid- zur Staupitzstraße hat eine wechselvolle Geschichte. Er diente bis 1890/91 als Übergang von der Königsstraße zur Haltestelle Döbeln-Ost. An dieser Stelle steht heute die Brücke in der Straße des Friedens. Auf Rollen transportierte man den Steg durch die Stadt zum neuen Aufstellort. Auch ihn hob das schon erwähnte Hochwasser aus. 1904 entstand dort eine hölzerne Fahrbrücke mit steinernen Widerlagern. Bis 1926 wurde der alte Fußgängersteg als Übergang zum Amtsgericht im Verlauf der ehemaligen Bismarck-, heute Rosa-Luxemburg-Straße genutzt. Danach kam er wieder an die alte Stelle zurück, wo ihn Fußgänger von der damaligen Moltke-Straße in den Nordbereich der Stadt nutzten. Mehrere Reparaturen am Steg konnten nicht verhindern, dass er 1974 gesperrt wurde. Nachdem auch dieser Steg eine Erneuerung erfuhr, konnte dieser ab 1985 wieder begangen werden, da er für viele Fußgänger die günstigste Verbindung zum Staupitzbad und dem Wohngebiet Döbeln Nord darstellt.
Brücke am Stadtbad
Im Jahre 1926 erbaute man die Brücke am Stadtbad im Verlauf der schon erwähnten Luxemburgstraße. Sie stellt die kürzeste Verbindung nach Döbeln Nord für den Fahrverkehr dar. Wie schon berichtet war die Brücke an die Stelle des vorherigen Fußgängersteges gesetzt worden, der die Maße 26 Meter Länge und 2,7 Meter Breite hatte. 1994/95 wurde, wiederum unter Einhaltung der Auflagen des Denkmalschutzes, auch diese wichtige Brücke grundhaft saniert. Hier mußten zur Festigung des Baugrundes zahlreiche Beton-Bohrpfähle 15 - 20 Meter tief in das Erdreich eingebracht werden.
Brücke in der Straße des Friedens
Der südliche Muldenarm wird zu Beginn seines Verlaufes von der Brücke in der Straße des Friedens am "Döbelner Haus" überquert. 1891 baute man an selbiger Stelle der damaligen Königstraße eine eiserne Brücke als Übergang zum Obermarkt. Auffällig waren die zwei gebogenen Fachwerk-Stahlträger rechts und links der Fahrbahn.Mit dem Überqueren der Brücke auf den Obergurten der Träger vollführte mancher Lausbub eine gefährliche Mutprobe. Im Jahre 1980 erfolgte der völlige Abriss der alten Brücke. An ihrer Stelle entstand eine Stahlbetonbrücke mit dem heutigen Aussehen.
Niederbrücke
Der Weg aus dem Döbelner Talkessel zu den Anhöhen im Süden der Stadt führte über die Niederbrücke. Anfang des 14. Jahrhunderts gab es an dieser Stelle eine Holzbrücke sowie in deren Nähe eine Wagenfurt. Im Jahre 1532 entstand nach der Holzbrücke eine steinerne Brücke mit vier Bögen von je 8 Metern Spannweite sowie eisernen Geländern. 1912 riß man auch diese Brücke ab und schon nach der kurzen Bauzeit von sieben Monaten erhielten die Döbelner die Brücke in der heutigen Ausgestaltung. Nun hat das Bauwerk zwei Bögen von 16 und 20 Metern Länge über den Muldenlauf. Auch das Äußere der Niederbrücke, die im Stile der Oberbrücke dann auch Steingeländer mit Verblendungen erhielt, wurde in der jüngsten Vergangenheit aufgefrischt.
Brücke in der Bahnhofstraße
Kurz vor der Vereinigung der beiden Muldenläufe an Westzipfel der Muldeninsel steht die Brücke in der Bahnhofstraße, eine wichtige Verbindung vom Stadtkern zum Hauptbahnhof. Die Eisenbrücke wurde im Jahre 1871 erbaut und besaß zu beiden Seiten der Fahrbahn parallele Fachwerkträger. 1956 erfolgte eine Erneuerung infolge Baufälligkeit. Für den Fahrverkehr wurde die Brücke schon 1945 gesperrt. Um wenigstens den Fußgängern eine Übergangsmöglichkeit zu geben, gab es für längere Zeit das Kuriosum der Brücken auf der Brücke, entstanden daraus, dass zwei Holzstege auf dem. desolaten Brückenbelag als tragendes Element verlegt wurden. Soviel zur Entstehung der Stadt Döbeln auf der Muldeninsel und zu den Brücken und Stegen, die als Verbindungsstellen zum "Festland" dienen. Rechnet man zur Zahl der hier beschriebenen Flußquerungen nicht noch die teilweise erhaltenen Mühlgrabenbrücken hinzu, kommt man auf die magische Zahl sieben und Vertretern jüngerer Jahrgänge könnte dabei der bekannte Musiktitel der Gruppe "Karat" in den Sinn kommen, der da lautet: "Über sieben Brücken mußt Du gehen.." - wobei wohl heute mehr darüber gefahren wird.
Werner Braun "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V. Mitgliederinformation Nr. 17 Dezember 1999
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